


Was tun bei einer Migräne-Attacke am Arbeitsplatz?
Wenn der Migräneanfall am Arbeitsplatz zuschlägt, zählt jede Minute: Mit einem durchdachten Notfallplan, geprüften Akutmassnahmen und Ihrem persönlichen Notfallkit bleiben Sie während einer Migräneattacke handlungsfähig.
Migräne kündigt sich häufig durch eine Reihe von prodromalen Symptomen an, die bereits Stunden bis Tage vor dem Kopfschmerz auftreten können:
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Konzentrationsschwierigkeiten
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Lichtempfindlichkeit
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Leichtes Flimmern vor den Augen, Lichtblitze oder andere visuelle Phänomene
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Reizbarkeit und Gereiztheit ohne erkennbaren Anlass
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Vermehrtes Gähnen oder Müdigkeit
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Nackensteifigkeit und Verspannungen im Schulterbereich
Wenn Sie diese Signale frühzeitig erkennen, können Sie rechzeitig gegensteuern. Halten Sie für zwei, drei Minuten inne, schliessen Sie Ihre Augen und atmen Sie tief in den Bauch ein und aus. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, die nächsten Schritte zu planen.
1. Medikamentöse Akuttherapie: So früh wie möglich
Der wichtigste Erfolgsfaktor ist die frühe Einnahme Ihrer verordneten Migränemedikamente:
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Triptane (z.B. Sumatriptan, Rizatriptan) blockieren die Freisetzung schmerzauslösender Neurotransmitter und wirken am besten, wenn sie bei den ersten Kopfschmerz -Symptomen eingenommen werden.
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NSAR (z.B. Ibuprofen, Naproxen) können leichte bis moderate Schmerzen lindern und eignen sich als Alternative bei Kontraindikationen gegen Triptane.
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Kombinationspräparate mit Analgetikum und Koffein beschleunigen die Wirkung.
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Antiemetika wie Metoclopramid helfen gegen Übelkeit und verbessern die Resorption der Schmerzmittel im Magen-Darm-Trakt.
Tipp: Legen Sie Ihre Medikamente griffbereit in Ihrem Arbeitsplatz-Notfallkit ab (siehe Punkt 3).
2. Nicht-medikamentöse Schnellmassnahmen
Ergänzend zur Medikation können Sie sofort folgende Sofortinterventionen durchführen:
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Augen schliessen und entspannen: Auch wenige Minuten mit geschlossenen Augen, eventuell mit einer kühlenden Kompresse auf der Stirn, können Linderung verschaffen.
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Flüssigkeit zuführen: Trinken Sie ausreichend Wasser, da Dehydration Migräne verstärken kann.
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Kälte- oder Wärmetherapie: Legen Sie ein kühles Gelpad auf Stirn und Nacken – die Kälte führt zu einer kurzfristigen Gefäßverengung und kann Schmerzen dämpfen. Wechseln Sie bei muskulären Verspannungen ab und probieren Sie eine warme Kompresse aus.
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Gezielte Atemtechniken: Probieren Sie die 5-5-5-Methode: Einatmen fünf Sekunden, Luft anhalten fünf Sekunden, Ausatmen fünf Sekunden. Drei bis fünf Durchgänge reichen, um Ihr vegetatives Nervensystem zu beruhigen und den Schmerzreiz abzuschwächen.
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Achtsamkeitsübungen: Schliessen Sie die Augen, konzentrieren Sie sich fünf Minuten nur auf Ihren Atem oder auf eine angenehme Erinnerung. Diese kurze Meditation kann zentrale Schmerzverarbeitungszentren im Gehirn modulieren.
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Licht- und Lärmschutz: Suchen Sie einen ruhigen, abgedunkelten Raum auf oder setzen Sie eine Augenmaske oder lichtfilternde Brille auf, und nutzen Sie Noise-Cancelling-Kopfhörer oder Ohrstöpsel, um störende Geräusche auszublenden.
3. Das Arbeitsplatz-Notfallkit
Ein gut bestücktes Migräne-Box oder gut sichtbarer Schreibtisch-Schublade enthält:
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Kühle Gel- oder Silikonpads: Direkt auf Stirn und Nacken für schnelle Kältebehandlung
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Reise-Augenmaske oder Verdunklungsbrille: Effektives Abdunkeln bei Lichtempfindlichkeit
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Noise-Cancelling-Kopfhörer / Ohrstöpsel: Blockieren akustische Reize und fördern Ruhe
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Vorab dosierte Triptane / NSAR: Sofortige medikamentöse Intervention ohne Suchstress
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Antiemetikum (z. B. Metoclopramid): Gegen Übelkeit und zur Unterstützung der Wirkstoffaufnahme
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Wasserflasche und Einweg-Becher: Schnelle Rehydrierung ohne Unterbrechung
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Notfallkontaktliste: Telefonnummern für Vertretung im Team, Taxi- oder Shuttle-Service, Rückzugsort im Gebäude
4. Organisatorisches Zeitmanagement
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Signal für Rückzug: Vereinbaren Sie mit Ihrer Führungskraft ein einfaches visuelles Signal (z.B. grünes Signallicht oder einen Post-it am Monitor), das diskret anzeigt, dass Sie eine kurze Auszeit benötigen.
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Mikropausen: Planen Sie alle 30 Minuten eine Minute Augenentspannung und Nackenmobilisation ein, um einer Progression der Migräne vorzubeugen.
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Delegationsplan: Erstellen Sie eine Liste Ihrer aktuellen Top-3-Aufgaben mit klaren Anweisungen, die Ihre Kollegen im Ernstfall übernehmen können.
5. Digitale Unterstützung und Geräte
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Kopfschmerz-Apps: Tools wie «Migräne App» oder «M-sense» helfen, prodromale Warnsignale zu protokollieren und die Wirksamkeit Ihrer Notfallstrategien zu überprüfen.
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Neuromodulation: Geräte wie Cefaly® oder Nerivio® (transkutane Stimulation) können vorbeugend oder akut unterstützend wirken (signifikante Schmerzlinderung nach zwei Stunden – besser als Schein-Behandlung)
6. Schnelle Kommunikation im Team
Eine knappe Mitteilung per Chat oder Telefon («Habe Migräne-Anzeichen, gebe in 10 Minuten Bescheid») vermittelt Transparenz und reduziert Spekulationen. Kombinieren Sie dies mit Ihrem Delegationsplan, sodass dringende Tasks ohne Verzögerung weiterlaufen.
Migräneattacken am Arbeitsplatz vorbeugen
Die Arbeitsumgebung spielt eine zentrale Rolle beim Umgang mit Migräne. Zu grelles Licht, laute Geräusche oder intensive Gerüche können Attacken verstärken oder sogar auslösen. Deshalb ist es sinnvoll, den Arbeitsplatz möglichst reizarm zu gestalten:
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Lichtquellen regulieren: Bevorzugen Sie Tageslicht, meiden Sie grelle Lampen, arbeiten Sie ggf. mit Sonnenbrille oder Blendschutz.
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Geräuschpegel senken: Ohrstöpsel oder Noise-Cancelling-Kopfhörer helfen, störende Geräusche auszublenden.
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Duftstoffe vermeiden: Verwenden Sie keine stark parfümierten Produkte am Arbeitsplatz, da Gerüche als Trigger wirken können.
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Ordnung schaffen: Ein aufgeräumter Arbeitsplatz reduziert visuelle Ablenkung und fördert die Konzentration.
Im Home-Office besteht oft mehr Flexibilität, den Arbeitsplatz individuell anzupassen. Wer im Büro arbeitet, kann mit kleinen Hilfsmitteln wie einer Augenmaske oder einem Schal für den Nacken zusätzliche Entlastung schaffen.
Kommunikation mit Vorgesetzten und Kolleginnen
Offene Kommunikation ist ein wichtiger Baustein für den erfolgreichen Umgang mit Migräne am Arbeitsplatz. Viele Betroffene scheuen sich, über ihre Erkrankung zu sprechen – aus Angst vor Unverständnis oder Stigmatisierung. Dabei können Vorgesetzte und Kolleginnen oft gezielt unterstützen, wenn sie über die Situation informiert sind.
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Gespräch suchen: Suchen Sie das offene Gespräch mit Ihrer Führungskraft über Ihre Migräne und mögliche Einschränkungen. Das schafft Verständnis und ermöglicht individuelle Lösungen.
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Bedürfnisse klar formulieren: Formulieren Sie Wünsche wie flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten oder einen ruhigen Rückzugsort klar und deutlich.
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Kolleginnen einbeziehen: Auch das Team profitiert von einem offenen Umgang – so können Aufgaben bei Bedarf umverteilt und Missverständnisse vermieden werden.
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Rechte kennen: In der Schweiz sind Arbeitgebende verpflichtet, gesundheitliche Einschränkungen angemessen zu berücksichtigen. Eine ärztliche Bestätigung kann helfen, die notwendigen Anpassungen zu begründen.
Eine wertschätzende Kommunikation fördert das gegenseitige Verständnis und trägt dazu bei, das Arbeitsklima für alle zu verbessern.
Langfristige Strategien und Prävention
Neben den Akutmassnahmen sind langfristige Strategien entscheidend, um Migräneanfällen vorzubeugen und die Lebensqualität zu steigern. Die Forschung zeigt, dass ein ganzheitlicher Ansatz besonders wirksam ist:
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Regelmässiger Tagesablauf: Feste Schlafenszeiten, regelmässige Mahlzeiten und ausreichend Pausen helfen, das Migräne-Risiko zu senken.
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Stressmanagement: Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung können die Anfallshäufigkeit reduzieren.
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Bewegung: Moderate Ausdauerbewegung wie Spazieren, Velofahren oder Schwimmen wirkt präventiv.
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Trigger-Tagebuch führen: Wenn Sie Auslöser wie Stress, bestimmte Nahrungsmittel oder Wetterumschwünge dokumentieren, erkennen Sie Zusammenhänge und können gezielt gegensteuern.
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Medizinische Beratung: Regelmässige Konsultationen bei einer Fachperson ermöglichen eine individuelle Therapieanpassung und die Überprüfung der Medikation.
Auch der Austausch mit anderen Betroffenen – etwa in Selbsthilfegruppen oder Online-Communities – kann wertvolle Unterstützung bieten.
Mit konsequenter Vorbereitung, frühzeitiger medikamentöser Therapie und gezielten nicht-medikamentösen Massnahmen lassen sich Migräneattacken im Arbeitsalltag effektiv managen. Ein individuell zusammengestelltes Notfallkit, klare Absprachen im Team und digitale Helfer unterstützen Sie dabei, Ihre Leistungsfähigkeit trotz Attacke so gut wie möglich aufrechtzuerhalten.
