


Wie spreche ich mit meinem Arbeitgeber über meine Migräne?
Die Entscheidung, dem Arbeitgeber von der Migräne zu erzählen, ist sehr persönlich. Eine gute Vorbereitung und klare Kommunikation können dabei helfen, Verständnis zu schaffen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Migräne ist mehr als nur Kopfschmerz – sie ist eine neurologische Erkrankung, die das Arbeitsleben erheblich beeinträchtigen kann. Viele Betroffene zögern, offen über ihre Erkrankung zu sprechen, aus Angst vor Unverständnis oder beruflichen Nachteilen. Doch mit der richtigen Herangehensweise kann ein offenes Gespräch zu mehr Verständnis und praktischen Lösungen führen.
Rechtliche Grundlagen: Was Sie wissen sollten
Grundsätzlich sind Sie nicht verpflichtet, Ihrem Arbeitgeber von Ihrer Migräne zu erzählen. Diese Offenlegungspflicht besteht nur dann, wenn Sie die vertraglich vereinbarten Arbeitsaufgaben nicht verrichten können, besondere berufsspezifische Risiken bestehen oder Dritte gefährdet werden.
Ihr Arbeitgeber hat kein Recht, nach Krankheiten oder Behinderungen zu fragen. Hier überwiegt Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Selbst auf unzulässige Fragen dürfen Sie lügen – eine solche Lüge darf keine Konsequenzen haben.
Auch einen bestehenden Grad der Behinderung müssen Sie nicht erwähnen, es sei denn, Sie möchten von möglichen Vorteilen profitieren. Manche Arbeitgeber stellen Menschen mit Behinderung bei gleicher Eignung bevorzugt ein.
Pro und Contra: Eine Entscheidungshilfe
Eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile kann Ihnen dabei helfen, die für Sie richtige Entscheidung zu treffen.
Mögliche Vorteile einer offenen Kommunikation:
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Der Druck entfällt, die Krankheit geheim halten zu müssen
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Ihr Arbeitgeber kann unterstützende Massnahmen einführen
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Kollegen können nur dann helfen, wenn sie wissen, was zu tun ist
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Angepasste Arbeitsbedingungen wie Homeoffice führen bei Kollegen nicht zu Nachfragen
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Kurzzeitige Krankmeldungen können richtig eingeordnet werden
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Sie erhalten leichteren Zugang zu betriebsinternen Hilfsstellen
Mögliche Nachteile:
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Sie könnten als «krank» und weniger leistungsfähig angesehen werden
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Die Krankheit wird möglicherweise nicht ernst genommen
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Ungefragte Kommentare und Ratschläge aus dem Umfeld nehmen zu
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Vorgesetzte reagieren nicht sensibel oder sehen die Leistungsfähigkeit gefährdet
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Die transparente Kommunikation kostet Kraft und Energie
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Je nach Branche kann der Karriereaufstieg durch Vorurteile erschwert werden
Vorbereitung ist alles: So bereiten Sie sich vor
Eine gründliche Vorbereitung ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Gespräch. Erstellen Sie vorab Notizen und nehmen Sie diese mit zum Gespräch.
Sammeln Sie Fakten über Migräne:
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Nutzen Sie Informationsmaterial wie z.B. die Informationen auf dieser Seite
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Erklären Sie kurz und verständlich, was Migräne ist
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Betonen Sie, dass es sich um eine neurologische Erkrankung handelt
Bereiten Sie persönliche Informationen vor:
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Beschreiben Sie, wie Sie eine beginnende Attacke bemerken
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Erklären Sie, was Ihnen hilft und welche Unterstützung Sie benötigen
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Machen Sie konkrete Vorschläge für Arbeitsplatzanpassungen
Organisieren Sie Unterstützung:
Falls vorhanden, kontaktieren Sie vor dem Gespräch ihren Betriebsarzt. Dieser könnte Sie auch zu Terminen mit Vorgesetzten begleiten. Alternativ können Sie mit Ihrem Hausarzt sprechen. Er kann mit Ihnen festlegen, welche Anpassungen Sie am Arbeitsplatz benötigen und wie viel Sie preisgeben sollten.
Das Gespräch führen: Praktische Tipps
Suchen Sie idealerweise in Ruhe und unter vier Augen das Gespräch mit Ihrer Führungskraft. Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt, in dem ausreichend Zeit für ein ungestörtes Gespräch vorhanden ist.
Was Sie sagen sollten:
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Beschreiben Sie Ihre Qualifikationen und Stärken, die zur Erfüllung Ihrer Hauptaufgaben erforderlich sind
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Durch meine Migräne habe ich gelernt, sehr diszipliniert und effizient mit meiner Zeit umzugehen. Ich plane meine Arbeitsabläufe vorausschauend und bin dadurch oft produktiver als andere Kollegen.»
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«Menschen mit Migräne entwickeln oft besondere Stärken: Wir sind sehr strukturiert, haben ein hohes Verantwortungsgefühl und können uns gut anpassen. Studien zeigen sogar, dass Migräne-Betroffene bei kognitiven Tests oft besser abschneiden.»
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«Meine Erfahrung mit einer chronischen Erkrankung hat mich besonders empathisch und teamfähig gemacht. Ich verstehe, wie wichtig gegenseitige Unterstützung im Team ist.»
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Betonen Sie, dass Migräne-Betroffene sehr leistungsfähig sind
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Zwischen den Attacken bin ich voll leistungsfähig und kann durch meine vorausschauende Arbeitsweise oft viel aufholen. Migräne-Betroffene sind häufig sehr leistungsfähige Mitarbeiter.»
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«Ich möchte betonen, dass Migräne-Betroffene in attackenfreien Zeiten oft sogar überdurchschnittlich leistungsfähig sind. Wir haben gelernt, unsere Zeit optimal zu nutzen.»
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«Viele erfolgreiche Persönlichkeiten wie Julius Cäsar, Napoleon oder Bill Clinton litten unter Migräne und erbrachten trotzdem Höchstleistungen. Dies zeigt, dass Migräne und beruflicher Erfolg sehr wohl vereinbar sind.»
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Weisen Sie darauf hin, dass Sie in der Zeit zwischen den Attacken viel aufholen können
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«In attackenfreien Phasen kann ich durch meine strukturierte Arbeitsweise liegengebliebene Aufgaben sehr effizient abarbeiten und bin oft produktiver als üblich.»
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«Wenn ich eine gute Phase habe, arbeite ich sehr konzentriert und kann dadurch ausgefallene Zeit gut kompensieren. Das Bewusstsein für die begrenzte Zeit macht mich effizienter.»
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«Zwischen den Attacken nutze ich meine Zeit optimal und hole versäumte Arbeit zügig nach. Migräne-Betroffene entwickeln oft eine besondere Fähigkeit zum effizienten Arbeiten.»
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Erläutern Sie den Bedarf an Anpassungen für Ihren Arbeitsplatz
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Hilfreich wären für mich flexible Arbeitszeiten, falls sich mal eine Attacke ankündigt, und eventuell die Möglichkeit, bei Bedarf einen ruhigen Rückzugsort zu haben.»
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«Falls möglich, wäre es gut, wenn ich bei beginnenden Attacken kurzzeitig in einen ruhigen, abgedunkelten Raum könnte oder bei entsprechenden Vorzeichen früher nach Hause gehen dürfte.»
«Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung mit angepasster Beleuchtung und lärmreduzierter Umgebung würde mir sehr helfen, Attacken zu vermeiden.» -
«Ich würde gerne eine verlässliche Vertretungsregelung nach dem Vier-Augen-Prinzip etablieren, damit bei unvorhergesehenen Ausfällen die Arbeit nahtlos weitergehen kann.»
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Machen Sie deutlich, dass Fehlzeiten nicht an fehlendem Verantwortungsgefühl liegen
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Falls ich mal wegen einer Migräne-Attacke ausfalle, hat das nichts mit fehlendem Verantwortungsgefühl oder mangelndem Interesse für meinen Job zu tun. Migräne zwingt mich manchmal dazu, mich zurückziehen zu müssen.»
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«Während einer akuten Attacke ist konzentriertes Arbeiten leider nicht möglich. Aber das bedeutet nicht, dass mir meine Arbeit weniger wichtig ist – im Gegenteil, ich kompensiere gerne in attackenfreien Zeiten.»
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«Ich melde mich nur dann krank, wenn es wirklich nicht anders geht. Migräne-Betroffene haben meist ein sehr hohes Pflichtgefühl und versuchen, so gut wie möglich ihre Aufgaben zu erfüllen.»
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Erläutern Sie, was Migräne ist
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Migräne ist eine anerkannte neurologische Erkrankung – keine normalen Kopfschmerzen. Sie geht mit starken, oft einseitigen Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit einher und macht das Arbeiten während einer Attacke praktisch unmöglich.»
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«Migräne ist eine biologische, oft vererbte Veranlagung. Ich bin nicht schuld an meiner Erkrankung, kann aber gut damit umgehen, da ich wirksame Behandlungs- und Vorbeugungsmöglichkeiten nutze.»
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«Wichtig zu wissen ist: Migräne ist mehr als nur Kopfschmerz. Es ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die von der WHO als eine der zehn belastendsten Krankheiten eingestuft wird.»
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Betonen Sie Ihre Behandlung und Ihr Management
Konkrete Formulierungsbeispiele:
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«Ich habe meine Migräne medizinisch gut eingestellt und nutze sowohl Akutmedikamente als auch vorbeugende Massnahmen. Dadurch kann ich die meisten Attacken gut handhaben.»
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«Ich arbeite eng mit meinem Neurologen zusammen und halte mich an alle Therapieempfehlungen. Mein Ziel ist es, die Auswirkungen auf den Arbeitsplatz minimal zu halten.»
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«Durch präventive Massnahmen wie regelmässigen Schlaf, Stressmanagement und das Vermeiden meiner bekannten Trigger kann ich viele Attacken verhindern.»
Was Sie nicht preisgeben müssen
Sie müssen keine Angaben zu Ihrer Medikation und aktuellen Behandlung machen. Überlegen Sie, wie tiefgehend Sie Migräne erklären möchten oder ob Sie dabei belassen, eine chronische Schmerzerkrankung zu haben.
Nach dem Gespräch: Wie es weitergehen kann
Gemeinsam mit Ihrer Führungskraft können Sie entscheiden, wie die Kommunikation mit dem gesamten Team erfolgen soll. Etablieren Sie eine verlässliche Vertretungsregelung nach dem Vier-Augen-Prinzip.
Alle wichtigen Informationen sollten zugänglich und selbsterklärend an einem Ort aufbewahrt werden, sodass Kollegen im Bedarfsfall problemlos darauf zugreifen können.
Unterstützungsmöglichkeiten nutzen:
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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
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Betriebsärztliche Beratung
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Integrationsfachdienste bei Schwerbehinderung
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Sozialverbände für weitere Beratung
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Migraine Action Patientenorganisation
Regelmässigen Austausch pflegen
Vereinbaren Sie regelmässige Gespräche, um die getroffenen Massnahmen zu evaluieren und bei Bedarf anzupassen. So zeigen Sie, dass Sie die Unterstützung zu schätzen wissen und die Zusammenarbeit kontinuierlich verbessern möchten.
Denken Sie daran: Migräne ist eine biologische, oft vererbte Veranlagung – Sie sind nicht schuld an Ihrer Erkrankung. Mit der richtigen Kommunikation und gegenseitigem Verständnis können Sie und Ihr Arbeitgeber gemeinsam dafür sorgen, dass Sie trotz Migräne erfolgreich und zufrieden arbeiten können.
