


Migränefreundlicher Arbeitsplatz:
Konkrete Massnahmen für eine produktive
und gesunde Arbeitsumgebung
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die jeden zehnten Arbeitnehmenden in der Schweiz betrifft und zu erheblichen Produktivitätseinbussen führt. Durch gezielte Anpassungen des Arbeitsplatzes können Unternehmen nicht nur die Lebensqualität Betroffener verbessern, sondern auch Kosten durch Präsentismus und Absentismus senken.
Migräne betrifft in der Schweiz über 1,2 Millionen Menschen. Die Schätzungen für die jährlichen Produktivitätsverluste liegen bei mehreren hundert Millionen Franken. Arbeitgebende stehen vor der Herausforderung, Arbeitsumgebungen so zu gestalten, dass Betroffene ihre Leistungsfähigkeit erhalten können. Die Massnahmen gliedern sich in:
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Technische Anpassungen
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Organisatorische Anpassungen
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Verhaltensbezogene Massnahmen
A) Technische Anpassungen: Reizreduktion am Arbeitsplatz
1. Bildschirme
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Flackernde Monitore und Blendungen zählen zu den häufigsten Migräne-Triggerfaktoren.
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68% der Migräniker reagieren auf visuelle Reize mit Attacken.
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Individuelle Monitoreinstellungen: Die Helligkeit sollte an die Tageszeit angepasst werden – morgens höhere Lichtintensität (300–500 Lux), abends Reduktion auf 150–200 Lux.
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Blaufilter-Software reduziert den Blaulichtanteil, was Migräne-Attacken vorbeugen kann.
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Anti-Glare-Beschichtungen: Moderne Mattschicht-Filter reduzieren Reflexionen und verbessern die Lesbarkeit in hellen Umgebungen. Anti-Glare-Bildschirme minimieren „Sparkle-Effekte“ (optisches Flackern) durch nanotexturierte Oberflächen. Tablets und Smartphones können bei Bedarf auch nachträglich mit Anti-Glare-Schutzfolien nachgerüstet werden.
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Arbeitsplatzbrillen: Spezielle Brillengläser mit Blaulichtfilter (z.B. zFORT®-Technologie) blockieren einen Teil des blauen Lichtspektrums.
2. Beleuchtung
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Grelles Licht gilt als häufiger Auslöser von Migräneattacken bei vielen Betroffenen.
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Indirekte LED-Beleuchtung: Dimmbare Deckenleuchten mit einer Farbtemperatur unter 3’000 K (warmweiss) und einer Flickerfrequenz über 200 Hz reduzieren die Belastung für Menschen mit Migräne deutlich, da sie Blendung und Flimmern minimieren.
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Tageslichtsteuerung: Automatische Jalousiensysteme passen die Lichtstärke an die Aussentemperatur an – bei direkter Sonneneinstrahlung reduziert dies die Blendung.
3. Akustik
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Lärm ist ein häufiger Trigger für Migräneattacken, insbesondere intermittierende Geräusche wie Drucker oder Telefonklingeln werden von vielen Betroffenen als besonders belastend empfunden.
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Schallabsorber: Akustikpaneele aus Melaminharz-Schaum reduzieren den Schallpegel in Grossraumbüros um 6–8 dB. Die ETH Zürich empfiehlt einen Zielwert von 45–50 dB(A) für konzentrationsintensive Tätigkeiten.
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Noise-Cancelling-Kopfhörer: Moderne Kopfhörer unterdrücken Umgebungsgeräusche um bis zu 30 dB. Viele Nutzer berichten, damit produktiver arbeiten zu können.
B) Organisatorische Anpassungen: Flexibilität und Rückzugsmöglichkeiten
1. Flexible Arbeitszeiten
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Gleitzeitmodelle mit Kernzeiten von 10–14 Uhr entlasten Betroffene, deren Attacken oft morgens oder abends auftreten.
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Homeoffice-Optionen: Homeoffice kann die Zahl der Migränetage durch den Wegfall von Pendelstress und kontrollierbare Umgebungsbedingungen reduzieren.
2. Pausenmanagement
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Regelmässige Pausen nach dem «90/20-Zyklus» (90 Minuten Arbeit, 20 Minuten Pause) können die Attackenhäufigkeit senken.
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Für migränespezifische Erholungsphasen sollten dunkle, ruhige Räume zur Verfügung stehen.
3. Rückzugsräume («Migräne-Safe-Space»)
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Vollständige Abdunkelung (Lux-Wert <10)
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Schalldämmung (Schallschutzklasse D)
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Temperaturkontrolle (18–22°C)
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Liegemöglichkeit, idealerweise mit verstellbarem Neigungswinkel
4. Vertretungsregelungen
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Das «Vier-Augen-Prinzip» (zwei Mitarbeitende pro Projekt) gewährleistet Kontinuität.
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Digitale Dokumentationssysteme ermöglichen ortsunabhängigen Zugriff.
C) Verhaltensbezogene Massnahmen: Sensibilisierung und Kommunikation
1. Schulungen für Führungskräfte
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Schulungen sind entscheidend, um Vorurteile und Fehlinformationen über Migräne abzubauen und ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen.
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Häufige Mythen wie «Migräne ist psychosomatisch» oder «Betroffene simulieren» sollen aktiv angesprochen und durch wissenschaftliche Fakten entkräftet werden.
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Schulen Sie die Kommunikationsfähigkeiten Ihrer Führungskräfte. Migräne-Betroffene getrauen sich meist nicht, über ihre Krankheit und Bedürfnisse zu sprechen. Schaffen Sie eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens.
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Formulierungen wie «Welche Anpassungen benötigen Sie aktuell?» statt «Können Sie nicht trotzdem kommen?» können das Stressempfinden der Angestellten deutlich reduzieren.
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Ziehen Sie, falls zutreffend, Betriebsärzte und Personalverantwortliche in Ihre Strategie mit ein.
2. Aktivitäten zur Aufklärung und Schulung
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Informationsveranstaltungen über Migräne und Mythus-Debunking
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Schulungen in empathische Gesprächsführung
3. Sensibilisierung der Angestellten
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Klären Sie Ihre Angestellten über Migräne und die Bedürfnisse von Migräne-Betroffenen auf, damit auch die Kolleg:innen von betroffenen Angestellten informiert sind.
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Verdeutlichen Sie die Haltung Ihres Unternehmens gegenüber Migräne-Betroffenen.
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Informieren und sensibilisieren Sie durch:
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Informationsveranstaltungen
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Flyer, Plakate, Mailings
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Checklisten für Mitarbeitende (parfümfreie Zonen, Nutzung von Headsets, visuelle Warnsignale wie z.B. rote Karte bei Attacke)
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Weitere Massnahmen
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Konkrete Handlungsempfehlungen für den sofortigen Start
Der migränefreundliche Arbeitsplatz ist keine Utopie, sondern eine wirtschaftlich sinnvolle Investition in die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens. Die Umsetzung erfordert weder revolutionäre Veränderungen noch hohe Investitionen – oft reichen bereits kleine, durchdachte Anpassungen für spürbare Verbesserungen. Evidenzbasierte Anpassungen amortisieren sich meist binnen weniger Monate. Langfristig profitieren Unternehmen von niedrigeren Fluktuationskosten, höherer Teamproduktivität und einem Renommee als «migränefreundlicher Arbeitsplatz».
Ihre nächsten Schritte:
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Bestandsaufnahme durchführen: Evaluieren Sie Ihre aktuelle Arbeitsplatzgestaltung hinsichtlich migränefreundlicher Kriterien mit Dienstleistungen und Angeboten.
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Anonyme Mitarbeiterbefragung mit dem «Migräne-Trigger-Check»
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Pilotprojekt starten: Implementieren Sie zunächst kostengünstige Massnahmen wie optimierte Beleuchtung, Blaulichtfilter und Lärmreduktion.
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Führungskräfte schulen: Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte für den professionellen Umgang mit betroffenen Mitarbeitenden.
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Feedback-System etablieren: Schaffen Sie vertrauliche Kanäle für Verbesserungsvorschläge.
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Erfolg messen: Dokumentieren Sie Veränderungen bei Krankheitstagen und Mitarbeiterzufriedenheit.
Wir unterstützen Sie gerne mit unseren Dienstleistungen und Angeboten.